Schinkensandwiches und Speck

Marcel Alexander NiggliSchinkensandwiches und SpeckContraLegem2018149

Schinkensandwiches und Speck

Marcel Alexander Niggli

49 Grossbritannien, eines der Kernländer der Grundrechte und gerade der Meinungsäusserungsfreiheit, wie die Briten zu betonen nicht müde werden, kennt den sogenannten Racial and Religious Hatred Act aus dem Jahre 2006. Danach sind (section 29B) mit Strafe bedroht bedrohliche Worte oder Taten, wenn damit zu religiösem Hass aufgestachelt werden soll. Die Strafe lautet (section 29L) auf Busse oder Freiheitsstrafe bis zu 7 Jahren (bzw. bei einer summary conviction bis zu 6 Monaten).

Es ist nun immer schwierig, Fälle zu beurteilen, die man nur aus den Medien kennt, nicht nur was die Urteile betrifft, sondern insbesondere die Sachverhalte. Aber der Fall von Kevin Crehan scheint doch einigermassen merkwürdig. Der 34jährige Engländer war offenbar nicht gerade ein enormer Sympathieträger. Er hatte vorgängig 32 Strafverfahren mit 55 Delikten angehäuft, primär Gewalt im Zusammenhang mit Fussball. Fast 10 Jahre zuvor war er wegen Rassismus verurteilt worden, weil er 2008 einen Polizisten beschimpft hatte («racially abused»). Im Januar 2016 nun wickelte er zusammen mit drei anderen Personen in Bristol Speck um die Türgriffe einer Moschee und verteilte vor der Tür Schinkensandwiches. Zudem hängten sie eine Fahne auf mit der Beschriftung «Keine Moschee» und riefen rassistische Sprüche. Dafür wurden er mit 12 Monaten Gefängnis unbedingt, sein Mittäter mit 9 Monaten Gefängnis unbedingt, die beiden anderen Mittäter, zwei Frauen, mit 6 bzw. 4 Monaten Gefängnis bedingt bestraft. Zudem wurde den vieren für die nächsten 10 Jahre untersagt, sich einer Moschee mehr als 100 m zu nähern. Herr Crehan ist nach der Hälfte seiner Haft im Dezember 2016 im Gefängnis unter ungeklärten Umständen gestorben.

Meine muslimischen Freunde und Bekannten versichern mir übrigens einstimmig, dass es für sie kein Problem darstelle, Sandwiches, Speck oder gar Schweine selbst zu berühren, solange man sie nicht esse. Unabhängig von der Frage aber, ob Speck tatsächlich bedrohlich und geeignet ist, zu Hass aufzustacheln, kann man sich fragen, ob 1 Jahr unbedingt für solche Bubenstückchen angemessen ist.

Derselbe Erlass bildete die Basis strafrechtlicher Verfolgung des Ehepaars Vogelenzang, das ein Hotel betrieb und 2009 mit Ericka Tazi, einer zum Islam konvertierten Engländerin, die dort logierte, über Eier und Speck in Diskussionen geriet und dabei den Propheten Mohammed als Kriegsfürsten und den Hidschab als Zeichen der Unterdrückung bezeichnete. Die Vogelenzangs wurden zwar letztlich freigesprochen, aber sie waren bankrott und mussten ihr Hotel verkaufen.

Das mögen Einzelfälle sein und möglicherweise sind sie medial auch verfälscht. Dass die Verfahren geführt wurden, ist ebenso interessant wie die im Moscheen-Fall verhängten erheblichen Strafen, besonders im Hinblick darauf, dass der Schweiz (und anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen des civil law) aus dem anglo-amerikanischen Bereich regelmässig vorgeworfen wird, sie schränkten die Meinungsäusserungsfreiheit übermässig ein.

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