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Christoph Winzeler

Ausgewählte Thesen zu Hintergrund und Vorstufen der Geldwäschereiregulierung

113 Sorgfaltspflicht – ein schillernder, sich wandelnder Begriff

Sorgfaltspflicht: Begriff aus einer «principles-based» World

Prinzipienbasierte Regulierung beschränkt sich auf Grundsätze und gibt dem eigenverantwortlichen Unternehmen Raum für kreative, innovative Lösungen (Beispiel: die Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung für Vermögensverwaltungsaufträge).

Nachteil des prinzipienbasierten Regulierens ist, dass man es im Ausland nicht gut kennt und unsere Behörden dort ein entsprechend grosses Erklärungspensum haben.

Gegenstück zur prinzipienbasierten ist die regelbasierte oder «rules-based» Regulierung. Sie nimmt bei der Geldwäschereibekämpfung auch in der Schweiz grossen Raum ein (Beispiel: die Sorgfaltspflichtvereinbarung der Schweizerischen Bankiervereinigung).

Ursprüngliche Quelle: Auftragsrecht (Art. 398 Abs. 1–2 OR) mit Verweis auf Arbeitsvertragsrecht (Art. 321a Abs. 1 OR)

Der als Grundtyp des Bankgeschäfts geltende Auftrag ist eine Schöpfung des römischen Rechts, was Begriffe wie «Mandat» oder «Honorar» – zu Deutsch Ehrensold – anklingen lassen. Vermutungsweise Unentgeltlichkeit (Art. 394 Abs. 3 OR) und jederzeitige Kündbarkeit (Art. 404 Abs. 1 OR) lassen erkennen, dass der Auftrag nicht auf das Kundengeschäft einer Bank des 21. Jahrhunderts zugeschnitten ist.

«Art. 398 Abs. 1–2 OR: Der Beauftragte haftet im Allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis (Abs 1); Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes (Abs. 2).»

«Art. 321a Abs. 1 OR: Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.»

Diese Formulierungen sind – wenn auch in einem anderen Rechtsgebiet – herausragende Beispiele für eine prinzipienbasierte Regulierung.

«Due Diligence»: Begriff aus der angelsächsischen, «rules-based» World

Die privatrechtliche Wirtschaftspraxis verwendet den Begriff für die Prüfung eines Unternehmens oder Vermögens im Detail, bevor es Gegenstand einer Transaktion sein kann. Schon das Wort zeigt, welchem Rechtsraum die Methodik entstammt.

Kaum zufällig ist auch die Sorgfaltspflichtvereinbarung der Bankiervereinigung, die auf Englisch «Due Diligence Agreement» heisst, ein geradezu unschweizerisch detailliertes Werk.

114 Regulierung – ein ebenso schillernder Begriff

Kombination von Aufstellen, Durchsetzen und Überwachen von Regeln

Finanzmarktregulierung ist nicht nur Schaffung von Regeln, wie der Begriff suggerieren könnte. Sie lässt sich beschreiben als Kombination des Aufstellens, Durchsetzens und Überwachens von Regeln (St. Galler Handbuch zum Schweizer Finanzmarktrecht, Bd. 1, 2018, § 7 Rz. 1 m.w.H.). Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte des amerikanischen Verwaltungsrechts: Behörden wie z. B. die FTC oder die SEC haben von jeher so gearbeitet.

Spannungsverhältnis zur klassischen Gewaltenteilung

Mit klassischer Gewaltenteilung hat dies wenig zu tun. Doch Art. 7 Abs. 1 Bst. b FINMAG, der die Rundschreiben der FINMA neben deren Verordnungen ausdrücklich zu einer Form der Regulierung erklärt, hat diese – wenn man so will – «amerikanische» Form bestätigt. Am Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage und dem Gebot der Verhältnismässigkeit hat sich dadurch nichts geändert (Art. 5 Abs. 1–2, Art. 36 Abs. 1 und 3 BV).

Die Geldwäschereibekämpfung bewegt sich mit der GwV-FINMA im Bereich der etwas reineren Lehre. Denn es handelt es sich dabei um eine klassische Verordnung, die nur mit einer besonderen Gesetzesdelegation ergehen durfte (Art. 7 Abs. 1 Bst. a FINMAG i. V. m. Art. 3 Abs. 5, Art. 17, Art. 18 Abs. 1 Bst. e und Art. 41 Abs. 2 GwG).

Doppelnormen als Phänomen unserer Zeit

Doppelnormen sind ein Phänomen nicht der «Regulierung» im vorgenannten Sinn, sondern der Gesetzgebung und Gesetzesauslegung.

Im Strafrecht gab es sie schon immer: Wenn das StGB den Insiderhandel verbot, war dieser dadurch logischerweise auch verwaltungs- und zivilrechtlich verboten (heute z. T. wieder separat geregelt in Art. 142 FinfraG verwaltungs- und in Art. 154 strafrechtlich), also eigentlich sogar eine Tripelnorm. Ähnliches gilt im Geldwäschereibereich, wo heute ein Nebeneinander von Straf- und Verwaltungsrecht besteht.

Die praktische Bedeutung einer Doppelnorm äussert sich u. a. beim Rechtsschutz: Im Privatrecht muss ein Unternehmen die Initiative ergreifen und ein Prozessrisiko eingehen, um ihr Recht durchzusetzen; zuständig ist der Zivilrichter. Im Verwaltungsrecht handelt die Aufsichtsbehörde von Amtes wegen; anfechten muss man ihre Verfügungen beim Verwaltungsrichter.

Doppelnormen haben den Vorteil, dass in beiden Rechtsschutzverfahren materiell dasselbe gilt. Ob es sich bei einem Gesetzesartikel um eine Doppelnorm handelt, ist Auslegungsfrage und nicht immer von vornherein klar.

Selbstregulierung als «More of the same»

Die Selbstregulierung bildet im schweizerischen Finanzmarktrecht einen Sonderfall durch die Mitwirkung und «Anerkennung» der FINMA; man nennt sie auch «gesteuerte» Selbstregulierung oder mit Urs Zulauf «Koregulierung» (Jusletter vom 04.11.2013, Titel und Rz. 13–14.). Ihre Durchsetzung erfolgt hauptsächlich durch die Aufsicht via Prüfgesellschaften, im Fall der VSB zusätzlich durch ein Verbandsverfahren mit Vertragsstrafe (und im Extremfall auch noch durch den Strafrichter, vgl. Art. 305ter StGB).

Die Vorteile der Selbstregulierung liegen – so Peter Nobel – «in der Sachnähe der Regulierungskonzepte, in der Fähigkeit zur Verarbeitung höherer Komplexitäten und in der Verbesserung der Akzeptanz» (FG Chapuis, 1998, S. 120). Hinzu kommt der unbürokratischere, speditivere Prozess als bei behördlichen Regulierungen, was schnellere Reaktionen auf den Markt erlaubt.

Sorgfaltspflichtvereinbarung der Schweizer Banken (VSB), seit 1977 bis heute

Die VSB diente ab 1977 bis zum Inkrafttreten des GwG sozusagen als Übergangslösung.

Sie enthielt im Wesentlichen schon alles, was später als Grundpflichten im GwG kodifiziert 115 werden sollte (At. 3–5 GwG): Pflicht zur Identifikation des Kunden und Vertragspartners, ggf. des wirtschaftlich Berechtigten und, wenn nötig, die Wiederholung der Identifikation.

Später und bis zum Inkrafttreten des GwG die Geldwäschereirichtlinien der EBK

Sie waren vor dem Erlass des GwG eine damals umstrittene Regulierung der Aufsichtsbehörde (René Rhinow/Manfred Bayerdörfer, Rechtsfragen der schweizerischen Bankenaufsicht, Die Aufsichtsbefugnisse der Bankenkommission im Rahmen der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit (1990), passim) ohne Gesetzesdelegation, allein gestützt auf den Gewährsartikel (Art. 3 Abs. 2 Bst. c BankG; Christoph Winzeler, Das «Einfallstor» der Finanzmarktregulierung, Ständige Bewilligungsvoraussetzungen einer Bank, insbesondere die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit; ZSR 2013 I, S. 444 m.w.H.) und lange vor Art. 7 Abs. 1 FINMAG.

Heute sind an ihre Stelle GwG, GwV und GwV-FINMA getreten.

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