Aktienrechtsrevision zum Ersten

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Aktienrechtsrevision zum Ersten

59 In der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht) vom 23. November 2016 (BBl 2017 399) und dem entsprechenden Entwurf (BBl 2017 683) schlägt der Bundesrat u.a. auch Änderungen des Strafgesetzbuches vor (BBl 2017 748 f.). Einige dieser Vorschläge stellen wir in dieser und den nächsten Ausgaben – als (Vor)Warnung – vor.

Es soll unter anderem Art. 34 Abs. 2 StGB eine Änderung erfahren, welche die heute geltende Obergrenze eines Tagessatzes Geldstrafe von CHF 3’000 aufhebt:

«(…) Das Gericht kann den Tagessatz ausnahmsweise bis auf 10 Franken senken, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten. Es kann die maximale Höhe des Tagessatzes überschreiten, wenn das Gesetz dies vorsieht. (…)»

Selbstverständlich sieht das Gesetz – konkret ein neuer Art. 154 StGB (Strafbarkeit der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung von Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind) in seinem Abs. 4 – eine solche Überschreitung vor:

«Für die Berechnung der Geldstrafe ist das Gericht nicht an die maximale Höhe des Tagessatzes (Art. 34 Abs. 2 erster Satz) gebunden; die Geldstrafe darf jedoch das Sechsfache der Jahresvergütung, die im Zeitpunkt der Tat mit der betroffenen Gesellschaft vereinbart ist, nicht übersteigen.»

Inspirationsquelle dieser Strafdrohung ist natürlich der mit der eidg. Volksinitiative «Gegen die Abzockerei» angenommene Art. 95 Abs. 3 lit d. BV (AS 2013 1303). Diese Bestimmung (und damit auch Art. 154 Abs. 4 E StGB) kollidiert jedoch mit einer anderen Norm von Verfassungsrang, dem Herzstück jedes aufgeklärten Strafrechts: dem Satz «keine Strafe ohne Gesetz». Daraus fliesst u.a. auch das Bestimmtheitsgebot, das bekanntlich nicht nur die Verhaltensnorm, sondern auch die zugehörige Sanktion beschlägt. Das bedeutet nun keineswegs, dass die exakte Sanktion schon im Vornherein feststehen müsste, aber ein gewisser Rahmen ist verlangt. Art. 154 Abs. 4 E StGB kennt nun schlechterdings keine Obergrenze; ist die Jahresvergütung CHF 50 Mio., kann die Geldstrafe bis zu CHF 300 Mio. betragen usw. Das ist mit Art. 1 StGB nicht vereinbar (wie im Übrigen auch die Strafdrohungen von Art. 175 DGB, Art. 56 StGH oder Art. 49a KG nicht). Und dass diese Geldstrafe womöglich auch gleich noch im Strafbefehlsverfahren ausgefällt wird, macht die Sache auch nicht wirklich besser.

Zwar ist das Schicksal der Aktienrechtsrevision und damit auch dieser StGB-Bestimmungen zurzeit unklar, doch sei daran erinnert, dass sich Art. 154 E StGB schon heute in fast identischer Form in Art. 24 VegüV, einer Verordnung (!), findet.

Marcel Alexander Niggli / Stefan Maeder

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Aktienrechtsrevision zum Ersten
von Marcel Alexander Niggli und Stefan Maeder
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