Grenzen des Strafrechts

Barbara LoppacherGrenzen des StrafrechtsSContraLegem20192121122

Grenzen des Strafrechts

Eine Dame (D) – ziemlich aufgeregt – meldet sich bei der Staatsanwaltschaft. Sie wird mit dem diensthabenden Pikett-Staatsanwalt (S) verbunden.

D: Ja, hallo, sind Sie zuständig? Ich will eine Anzeige machen.

S: Um was geht es denn, was ist passiert?

D: Es ist ein Skandal. Im Sommer hatte ich Ferien, da wollte ich mit einer Kollegin wegfahren. Ich habe darum für Blume, also für meine Dalmatiner-Hündin, einen guten Platz gesucht. Ich habe sie dann in eine Luxus-Tierpension gebracht. Die Räume sahen sehr schön und gosszügig aus und machten einen guten Eindruck. Aber es hat auch ordentlich viel gekostet. Nach meinen Ferien holte ich Blume wieder ab. Da schien alles in Ordnung zu sein. Nach einiger Zeit stellte ich aber fest, dass Blume sich komisch benahm. Ich bin dann mit ihr zum Tierarzt gegangen. Dieser hat Blume untersucht und meinte dann, sie sei trächtig. Und nun sind die 4 Jungen da. An allem ist diese Tierpension schuld, und die will ich jetzt anzeigen.

S: Ja, war denn Ihre Blume sonst irgendwie beeinträchtigt, als Sie sie in der Pension abgeholt hatten?

D: Nein, es schien mit Blume alles in Ordnung zu sein. Ich habe natürlich genau geschaut, als ich sie abholte.

S: Könnte Blume denn auch an einem anderen Ort als in dieser Tierpension Kontakt mit einem Rüden gehabt haben?

D: Nein. Ich habe Blume immer bei mir und schaue genau, was sie macht. Es kommt auch zeitlich genau hin. Ich habe die Jungen zum Tierarzt gebracht, er meinte, dass der Vater der Welpen aufgrund ihres Aussehens ein Bolonka Zwetna sein müsste.

S: Und die Welpen sind gesund?

D: Ja, alles bestens, die sind sehr niedlich, ich habe bereits für alle einen Platz gefunden.

S: Und was genau wollen Sie nun zur Anzeige bringen?

D: Ja, also diese Tierpension, die Verantwortlichen. Das ist doch ein Skandal, wenn ich viel Geld ausgebe für Blume’s Ferienunterbringung, nachher ist sie trächtig und ich musste auch dafür noch bezahlen.

S: Ja, ich sehe das Ganze schon, das war wirklich sehr unangenehm.

D: Unangenehm? Sie haben ja keine Ahnung!

S: Strafrechtlich gesehen fehlt da aber ein Anknüpfungspunkt. Sachbeschädigung müssen wir…

D: Sachbeschädigung? Es geht hier um meine Hündin.

S: Ja, natürlich aber laut dem anwendbaren Recht kommen die Bestimmungen des Sachenrechts auf sie zur Anwendung. Aber der Tatbestand entfällt hier ohnehin, weil nur schon der Vorsatz…

D: Meine Hündin wurde gegen ihren Willen trächtig.

S: Woher wissen Sie das denn?

D: Ja, also hören Sie mal. Ich wollte keine trächtige Hündin haben.

S: Nun, also die Tatbestände aus dem Strafgesetzbuch betreffend Sexualdelikte kommen hier sicher nicht zur Anwendung, nachdem offenkundig weder Täter noch Opfer Menschen sind. Es könnte bestenfalls etwas aus dem Bereich der Tierschutzgesetzgebung sein.

D: Ich habe den Eindruck, Sie nehmen das nicht wirklich ernst.

S: Der Eindruck täuscht, ich sehe natürlich, dass Ihrer Hündin und Ihnen etwas sehr Unschönes widerfahren ist. Und ich habe jetzt einfach laut gedacht und bin alle Gesetzesbestimmungen, die mir auf die Schnelle eingefallen sind, durchgegangen. Das ist natürlich keine abschliessende Beurteilung. Ich schlage vor, dass Sie eine schriftliche Eingabe bei uns machen, dann schauen wir weiter.

122 D: Ja, das werde ich machen. Aber Sie werden dann die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen?

S: Wir werden den Sachverhalt ganz genau und unter allen Aspekten prüfen.

D: Sie bekommen das in den nächsten Tagen schriftlich, auf Wiedersehen.

S: Auf Wiedersehen.

Einige Tage später kommt die Anzeige der Dame per Post. Der Staatsanwalt runzelt zunächst die Stirn und stellt sogleich fest, dass sich weitere Diskussionen mit der Dame erübrigen werden, denn die fragliche Tierpension befindet sich in einem anderen Kanton. So wird die Anzeige der Dame mit Gerichtsstandsanfrage an den anderen Kanton übersandt und zumindest für den hiesigen Staatsanwalt ist die Geschichte zu Ende – wie auch das Strafecht bei solcherlei Lebens- und Liebesgeschichten am Ende ist.

Barbara Loppacher

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von Barbara Loppacher
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