Räumt den App-Store!

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Räumt den App-Store!

Camill Droll

Wie das neue Geldspielgesetz die Unterhaltungsspielindustrie kriminalisiert

41Das neue Geldspielgesetz (nachfolgend BGS; Bundesgesetz über Geldspiele) ist seit Anfang 2019 in Kraft. Zweck des Gesetzes ist die einheitliche Regelung von Geldspielen, welche zuvor vom Spielbanken- und Lotteriegesetz erfasst wurden. Als wesentliche Neuerungen können eine Erweiterung von Spielkategorien und deren Legaldefinitionen in Art. 3 BGS, die viel diskutierte Massnahme zur Netzsperrung von nicht bewilligten Spielangeboten in Art. 86 ff. BGS, welche im Rahmen des Referendums oftmals als „Internetzensur“ bezeichnet wurden sowie die Verschärfung der Strafbestimmungen gemäss Art. 130 f. BGS, genannt werden. Anlass für das neue Gesetz war die im Jahre 2012 angenommene Volksinitiative «Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls». Das Geldspielgesetz setzt damit den mit Annahme der Initiative neu eingeführten Art. 106 BV um. Während unter dem alten Spielbankengesetz ein Verbot für Online-Durchführungen von Glücksspielen galt, ist mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes diese Tätigkeit für konzessionierte Spielbanken erlaubt. Gleichzeitig werden solche Angebote von nicht konzessionierten und damit überwiegend ausländischen Anbietern gesperrt, was im Sinne des Geldspielmonopols liegen dürfte. Der Erlass soll eine zweck- und zeitgemässe Regelung des Geldspiels schaffen, die Bevölkerung angemessen vor den Gefahren des Geldspiels schützen und die Verwendung der Spielerträge für Sozialversicherungen regeln (Botschaft zum Geldspielgesetz vom 21.10.2015, BBI 2015 8387, S. 8389, nachfolgend Botschaft zum BGS). Gleichzeitig wurde wohl versucht, die bisherigen Abgrenzungsschwierigkeiten der alten Erlasse auszumerzen (vgl. zum Ganzen auch Droll/Niggli, ContraLegem, 2/2018, 29-40).

Vergeblich gesucht wird im neuen Gesetz der Begriff des Glückspiels, welches unter dem alten Recht als «Spiele, bei denen gegen Leistung eines Einsatzes ein Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht, der ganz

Das neue Geldspielgesetz geht zu weit und reguliert die Unterhaltungsspielindustrie in einem unterträglichen Masse.

oder überwiegend vom Zufall abhängt» definiert wurde. Neu werden diese Spiele genereller und ohne das Kriterium des überwiegenden Zufalls unter dem Begriff des Geldspiels in Art. 3 lit. a BGS wie folgt umschrieben: «Spiele, bei denen gegen Leistung eines geldwerten Einsatzes oder bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts ein Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht». Das problembehaftete Kriterium des überwiegenden 42Zufalls wird weggelassen. Bestehen bleibt aber der Begriff des Geschicklichkeitsspiels, das neu als Geldspiel gilt, bei dem der Spielgewinn ganz oder überwiegend von der Geschicklichkeit der Spielenden abhängt. Die Legaldefinition des Geschicklichkeitsspiels beinhaltet damit zwingend das Geldspiel. Zusätzliche Kriterien zur Abgrenzung des Geschicklichkeitsspiels lassen sich dem Art. 2 der Verordnung über Geldspiele (nachfolgend VGS) entnehmen. Eine wichtige Ausnahme vom Geltungsbereich der Geschicklichkeitsspiele wird in Art. 1 Abs. 2 lit. b BGS festgehalten; Geschicklichkeitsspiele, die weder automatisiert noch interkantonal noch online durchgeführt werden, sind vom Geltungsbereich des Geldspielgesetzes ausgenommen. „Jassen“ und ähnliche Spiele sind damit nicht vom Geldspielgesetz erfasst, sofern solche Spiele kantonal in einer geschlossenen Gruppe und nicht über eine App mit online Teilnehmern gespielt werden, selbst wenn um Geldeinsätze gespielt wird. Erste Abgrenzungsschwierigkeiten lassen sich für die Zukunft unschwer daran erkennen, dass beispielsweise das Pokerspiel explizit von Art. 3 lit f BGS erfasst wird, weil es nach Dafürhalten des Bundesgerichts im Unterschied zum Jassspiel überwiegenden Zufallscharakter hat (BGE 136 II 291, E. 5 ff.) und deshalb kein Geschicklichkeitsspiel darstellt. Abgesehen vom Pokerspiel ist dies aber für kein anderes Kartenspiel abschliessend geklärt. Die Abgrenzungsproblematik zum überwiegenden Zufall eines Spiels bleibt damit trotz der neuen Definition des Geldspiels vorhanden.

Geldspiele sind zusammengefasst neu nur unter drei Kriterien zulässig: a) Es handelt sich um ein Geldspiel, das gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. a BGS im privaten Kreis gespielt wird. Dabei ist die Abgrenzung des privaten Kreises zwar eng auszulegen, hängt aber von diversen Kriterien ab (Botschaft zum BGS, S. 8433), welche teilweise in Art. 1 VGS genannt sind. b) Das Geldspiel stellt ein Geschicklichkeitsspiel dar, das unter Art. 1 Abs. 2 lit. b BGS fällt. Bis auf das Pokerspiel bleibt ungeklärt, wann ein Gewinn nicht mehr überwiegend durch das Geschick des Spielers entschieden wird, sondern der Zufallscharakter überhandnimmt (man könnte dafür allenfalls die altrechtlichen Qualifikationsverfügungen der ESBK heranziehen. Dies entsprechen aber nicht mehr der neuen Konzeption von Spielkategorien). c) Der Anbieter des Geldspiels verfügt über die nötige Bewilligung oder Konzession gemäss dem Geldspielgesetz.

Das Problem mit den App Spielen

Wer künftig Grossspiele (Lotterie, Sportwetten oder Geschicklichkeitsspiele, die automatisiert, interkantonal oder online durgeführt werden) nach Art. 3 lit. e BGS anbieten will, braucht dafür eine Bewilligung nach Art. 21 ff BGS. Das Anbieten von Geschicklichkeitsspielen birgt damit strengere Auflagen als früher. Einerseits benötigt die Veranstalterin von Grossspielen als solche eine Bewilligung der interkantonalen Behörde, welche nur unter Voraussetzung der in Art. 22 BGS genannten Kriterien erteilt wird. So muss sie unter anderem eine juristische Person nach Schweizer Recht sein, einen guten Ruf geniessen, sich über die rechtmässige Herkunft der Geldmittel ausweisen und finanzielle oder sonstige Beteiligungen an anderen Unternehmen offenlegen. Andererseits bedarf es einer eigenständigen Bewilligung zur Durchführung des Grossspiels nach den Artikeln 24 ff BGS. Diese Doppelauflage dürfte – sollte sie tatsächlich und umfassend durch die interkantonale Behörde umgesetzt werden – zu erheblichen Problemen in der Spielindustrie, insbesondere in der Kleinspielindustrie, wie in den App-Stores, führen.

Die auf den App-Stores (google Play, Apple Store, Amazon Appstore etc.) vorhandenen Applikationen sind Programme, welche durch ein Rechtsgeschäft, d.h. durch das Herunterladen auf das eigene Gerät, erworben werden. Ohne Belang ist, ob die Applikation „gratis“ zur Verfügung gestellt oder käuflich erworben wird. Denn einerseits wird heute oft mit der Weitergabe persönlicher Daten „bezahlt“ und andererseits ändert die Unentgeltlichkeit an dem Rechtsgeschäft nichts. Schon durch das Herunterladen 43der Applikation kann damit allenfalls das Kriterium des «Abschluss eines Rechtsgeschäftes» gemäss Art. 3 lit. a BGS erfüllen, womit man sich im Bereich des Geldspiels bewegt.

Bei der Analyse von Umsatzzahlen fällt ins Auge, dass die umsatzstärksten Applikationen vorwiegend kostenfrei downloadbare Spiele sind. Auf den vordersten Rängen liegen oftmals die Spiele „Candy Crush“, „Clash of Clans“, „Fornite” und „Pokemon GO“. Einzig die Applikationen „Tinder“ und „Netflix“ vermögen mit den Umsätzen dieser Spiele zu konkurrieren. Das Problem mit dem neuen Geldspielgesetz wird damit offenkundig: Ein Spielumsatz kann für kostenfrei herunterladbare Spiele nur generiert werden, wenn Spieler für In-App Käufe bezahlen,

Die neue und einheitliche Definition des Geldspiels, das sowohl altrechtliche Glücksspiele wie Geschicklichkeitsspiele erfasst, erlaubt keine klare Grenzziehung mehr.

m.a.W. einen Geldeinsatz leisten. Unbestritten dürfte sein, dass es sich bei den erwähnten Spielen um Geschicklichkeitsspiele handelt, welche online sowie interkantonal durchgeführt werden und teilweise automatisiert ablaufen. Somit sind sämtliche Kriterien von Art. 3 lit. e BGS erfüllt. Zu prüfen bleibt die Kausalität zwischen dem Einsatz oder Rechtsgeschäft und dem «in Aussicht stellen eines Geldgewinnes oder eines anderen geldwerten Vorteils».

Dies bedarf einer genaueren Analyse. Denn es ist nicht ohne weiteres klar, dass dieses Kriterium bei der Mehrzahl von Spielen auf dem App-Store gegeben ist. Beispielhaft wird dies am App-Store Spiel „Clash of Clans“ gezeigt, welches seit Jahren unter den umsatzstärksten App’s rangiert. Die Mehrzahl der angebotenen Spiele funktioniert nach ähnlichen Prinzipien.

Das Spiel „Clash of Clans“ kann gratis im App-Store heruntergeladen werden. Nach einer Registrierung bekommt jeder Spieler ein fiktives Dorf. Dieses Dorf kann sukzessive ausgebaut und verbessert werden. So kann man durch den Auf- und Ausbau von Goldmienen, Waffenschmieden und Truppenausbildungszentren das Dorf vorantreiben und so stärkere Kampftruppen ausbilden. Diese werden eingesetzt, um die Dörfer anderer Spieler zu „plündern“. Dafür wird nach Einsatz einer bestimmten Goldeinheit online ein Angriff gegen einen zufälligen Teilnehmer gestartet, mit welchem je nach Geschicklichkeit des Spielers und Stärke seiner Truppen mehr oder weniger Ressourcen des Gegenspielers geplündert werden. Die Ressourcen werden wiederum dazu verwendet, das Dorf aufzubessern, Truppen oder Angriffe zu verstärken usw. Ziel des Spiels ist es, sein eigenes Dorf und die Ressourcen durch Mauern, Truppen und Verteidigungsstellungen vor anderen Angriffen zu schützen und gleichzeitig möglichst effektiv andere Dörfer anzugreifen, um die fremden Ressourcen zu ergattern. Die Ressourcen (Gold, Juwelen etc.) können nicht nur bei anderen Spielern geholt werden, sondern durch Geldbeträge im Store (sogenannte In-App-Käufe) gekauft werden. So kosten bspw. 14’000 Juwelen CHF 100.00. Diese Juwelen können verwendet werden, um das Dorf schneller auszubauen, Gold für den Bau von neuen Häusern zu kaufen oder spezielle Angebote in Anspruch zu nehmen. Die Ressourcen stellen damit geldwerte Vorteile dar, weil die Vorteile nicht nur erspielt, sondern 44ebenfalls durch Geld erkauft werden können. Ergo erspielt man sich durch den Einsatz solcher Ressourcen und seine Geschicklichkeit wiederum Ressourcen, die einen umgewandelten Geldwert haben. Diese Ressourcen können nicht wieder in Geld umgewandelt werden, was gemäss Gesetz aber kein Kriterium für die Bejahung eines Geldspiels ist. Voraussetzung bildet einzig, dass durch Rechtsgeschäft oder Leistung eines geldwerten Einsatzes ein Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht. Ein Geldgewinn oder geldwerter Vorteil muss demnach weder ausbezahlt, noch überhaupt erwirtschaftet werden. Die geplünderten und erspielten Ressourcen fungieren im Spiel als Geldersatz (quasi als Spieljetons), zumal sie einerseits als Zahlungsmittel im Spiel benützt werden, andererseits sogar durch tatsächliche Geldzahlungen an den Anbieter gekauft werden können.

Die Botschaft zum BGS führt aus, das Geldspiel werde durch zwei Elemente charakterisiert: die Leistung eines Einsatzes einerseits und die damit verbundene Gewinnmöglichkeit andererseits. Beide Elemente müssten in Geld oder Geldsurrogat bestehen. Dem geldwerten Einsatz ist der Abschluss eines Rechtsgeschäftes irgendwelcher Art gleichgestellt. Als solche seien etwa der Kauf von Spieljetons, das Entgelt für eine Dienstleistung oder ein Abo-Abschluss verbunden mit der Vergabe von Spielteilnahmen zu handhaben. Kein Geldspiel liegt hingegen vor, wenn zwar ein geldwerter Einsatz geleistet wird, der Geldgewinn aber entfällt, wie bspw. bei einem Flipperkasten (Botschaft zum BGS, S. 8436). In diesem Fall dient der Geldeinsatz nur der Unterhaltung ohne Aussicht auf einen Gewinn.

Weil ein geldwerter Vorteil nur in Aussicht stehen und nicht mehr primäres Ziel des Spiels sein muss, wird mit der Legaldefinition des Geldspiels belanglos, ob ein Spiel vorwiegend der Unterhaltung dient oder nur auf die Erwirtschaftung eines Gewinnes abzielt. Ist ein erspielbarer Vorteil ebenfalls käuflich erwerblich, handelt es sich unbestritten um einen geldwerten Vorteil. Durch die neue und einheitliche Definition des Geldspiels, welches sowohl altrechtliche Glücksspiele wie Geschicklichkeitsspiele erfasst, kann keine klare Grenze mehr gezogen werden, ob ein Spiel der Unterhaltung dient oder ein pekuniäres Ziel verfolgt. Wer einen geldwerten Einsatz leistet oder ein Rechtsgeschäft abschliesst und damit eine Tätigkeit in Form eines Spiels freischaltet, das wiederum einen geldwerten Vorteil in Aussicht stellt, befindet sich neu im Bereich des bewilligungspflichten Geldspiels.

Internationaler Diskurs zum Geldspiel

Die geschilderte Problematik wird zurzeit international diskutiert und bildet nicht nur in der Schweiz Zündstoff für die Spielindustrie. «Skin Gambling» bezeichnet international die teilweise bereits beschriebene Verwendung von virtuellen Währungen (Ressourcen, Ausrüstungen, Punkte etc.) als Einsatz oder Handelsware innerhalb von Online-Spielen oder zum Wetten auf bestimmte Ereignisse. Dafür gibt es diverse Anbieter, welche bis heute trotz in Kraft treten von den Art. 86 ff. BGS uneingeschränkt zugänglich sind (gamdom.com, csgoempre.com usw. [vgl. Glarner/Körner/Schmid, Lootboxen und Skin Gambeling im Schweizer Glücksspielrecht, Jusletter 21.01.2019, Rz. 9 . Die virtuellen Währungen werden unter dem Begriff «Skins» zusammengefasst. «Lootboxen» sind virtuelle Schatzkisten, die im Spiel gefunden, erspielt, erworben oder gewonnen werden können. Der Inhalt der Boxen kann bekannt oder unbekannt sein. Massgaben für den Charakter einer Lootbox ist nur der beinhaltete Vorteil für das Spiel (vgl. auch Glarner/Körner/Schmid, a.a.O., Rz. 7).

Die belgische Glücksspielkommission hat als eine der ersten den Einsatz von Lootboxen in gewissen Spielen dem Glücksspiel zugeordnet. So wurden die Spiele Overwatch, Counter-Strike: Global Offensive und FIFA 18 als Glücksspiele qualifiziert und verboten, weil die Spiele Lootboxen angeboten haben. Die Anbieter von Overwatch und Counter-Strike haben die Lootboxen aus dem Spiel entfernt. Der Anbieter 45von FIFA 18 (Electronic Arts) hat sich vorerst dagegen gewehrt und die Lootboxen weiterhin angeboten. Nachdem Belgien ein Ermittlungsverfahren gegen den Anbieter eigeleitet hatte, knickte dieser ein und entfernte die Lootboxen aus dem Spiel.

Bemerkenswert an diesem Beispiel ist, dass es sich bei den drei Spielen dem Charakter nach um reine Unterhaltungsspiele handelt, welche auf der Playstation, X-Box oder einem handelsüblichen Computer gespielt werden. Die Spiele werden käuflich erworben. Die Lootboxen im Spiel können, müssen aber nicht gekauft werden und bilden nicht primäres Ziel des Spiels. Das Spiel kann auch ohne den Kauf dieser Lootboxen gespielt werden. Da der Inhalt teilweise unbekannt ist, folglich vom Zufall abhängt, was man erhält, gelten sie nach belgischem Recht als Glücksspiel. Die Anbieter der Spiele sind international tätige Unternehmen mit erheblichen Ressourcen. Die Auswirkungen auf die Kleinspielindustrie von App-Stores sind offensichtlich und werden nicht auf sich warten lassen.

Fazit

Das Geldspielgesetz bringt einige Lösungsansätze mit sich, welche den hohen und kaum mehr überschaubaren technischen Möglichkeiten zum Geldspiel Einhalt gebieten sollen. Die neue Legaldefinition des Geldspiels verzichtet zwar komplett auf das Element des Zufalls, führt dies durch die Verwendung der Legaldefinition des Geschicklichkeitsspieles jedoch durch die Hintertür wieder ein, womit diese Teilproblematik letztlich nicht gelöst wurde. Es werden nur innerhalb der Kategorie des Geldspiels Unterscheidungen zwischen Geschicklichkeitsspiel, Lotterie und Sportwetten getroffen. Erfasst soll jedes Spiel sein, das «gegen Leistung eines geldwerten Einsatzes oder bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes einen Geldgewinn oder einen anderen geldwerten Vorteil in Aussicht stellt». Da der Abschluss eines Rechtsgeschäftes irgendwelcher Art dem geldwerten Einsatz gleichgestellt ist, erfüllt man beim Eingehen einer Verpflichtung, bspw. schon beim Downloaden eines Spiels, allenfalls das erste Element des Geldspiels. Dem Wortlaut gemäss müssten sogar einseitige Rechtsgeschäfte erfasst sein. Ob das Spiel der Bewandtnis nach der Unterhaltung dienen soll oder ein klassisches Casinospiel darstellt, hat keine Bedeutung mehr, sofern im Spiel geldwerte Vorteile erspielt werden können. Wo früher ein sinnvoller Unterschied zwischen Geschicklichkeit- und Glücksspiel vorgenommen wurde, ist eine solche nur noch innerhalb der Kategorie des Geldspiels vorhanden. Die Konzeption scheint misslungen. Denn jedes Spiel wird entweder durch ein Zufallselement oder die Geschicklichkeit des Spielers entschieden. Damit sind fortan vom Anwendungsbereich des Geldspielgesetzes nur noch jene Spiele ausgenommen, welche in Art. 1 Abs. 2 BGS ausdrücklich genannt sind und solche Spiele, bei denen keine Art von geldwertem Gewinn zu erwarten ist (bspw. Flipperkasten, Dart etc.). Kann ein allfälliger Gewinn in Form einer virtuellen Währung wiederverwendet werden, sprich als Zahlungs- oder Tauschmittel benützt oder weiter investiert werden, beweget man sich im Bereich eines geldwerten Vorteils. Klar erfüllt ist das Element des geldwerten Vorteils, wenn der erspielte Vorteil durch echtes Geld oder andere Skins gekauft werden kann. Die Auszahlung des geldwerten Vorteils in Form von Geld ist kein Kriterium für die Bejahung des Geldspiels. Der Gewinn darf als virtuelle Währung im Spiel verbleiben und erfüllt trotzdem den Begriff des geldwerten Vorteils. Das Element des Einsatzes, welches kumulativ zum gewinnbaren geldwerten Vorteil vorliegen muss, wir neu derart weit gefasst, dass es nach hier vertretener Auffassung praktisch immer erfüllt ist. Ob das Rechtsgeschäft einseitig oder zweiseitig abgeschlossen wird, ist nicht relevant. Der Begriff des Geldspiels erfasst damit neu die überwiegende Mehrzahl der auf dem Markt (App Stores, Spielkonsolenspiele, PC-Spiele) vorhanden Spiele. Spiele die käuflich erworben werden verfügen meist über Lootboxen im Spiel, um den Umsatz für den Anbieter zu steigern. Kostenlos verfügbare Spiele bauen oft massgeblich darauf auf, dass der Spieler im Spiel In-App 46Käufe tätigt, um Skins oder Geldsurrogate zu erwerben, ansonsten sich die Umsatzzahlen solcher Spiele nicht erklären lassen. Können gewonnen Vorteile eines Spiels über Drittplattformen verkauft oder gehandelt werden, erfüllen diese «Skins» den Begriff eines geldwerten Vorteils, obwohl der Anbieter des Spiels den Handel selbst allenfalls nicht einmal anbietet, geschweige denn kontrollieren kann. Die überwiegende Mehrzahl der heute angebotenen Spiele beinhaltet damit Vorteile in Form von Lootboxen oder Skins oder das Spiel basiert sogar massgeblich nur auf geldwerten Ressourcen, die im Spiel immer weiter investiert werden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes erfüllt jedes dieser Elemente den Begriff des Geldspiels.

Eine Differenzierung muss einzig für Lootboxen vorgenommen werden: Kann eine Lootbox als Teil des Spiels ohne Einsatz eines geldwerten Einsatzes geöffnet werden, handelt es sich trotz Zufallselement nicht um ein Geldspiel, sofern man das Angebot nicht als einseitiges Rechtsgeschäft betrachtet. Wird es als Schenkung betrachtet, wäre es nur vom Wortlaut ausgenommen, wenn es zur Verkaufsförderung gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. d BGS dient. Muss ein Einsatz für das Öffnen der Lootbox getätigt werden, ist der Inhalt der Lootbox aber bekannt, so handelt es sich um einen einfachen Kauf innerhalb des Spiels. Ist für das Öffnen der Lootbox ein Einsatz nötig und dem Spieler unbekannt, was er dafür erhalten wird, liegt ein Geldspiel vor, wenn der Inhalt einen geldwerten Vorteil darstellt. Das Verwenden solcher Lootboxen wäre dann - wie in Belgien - nach dem neuen Geldspielgesetz verboten.

Die neue Konzeption des Geldspielbegriffes ist misslungen, weil ein «Gegenpol» zu dieser Kategorie fehlt. Denn der überwiegende Teil von modernen Spielen ist dergestalt, dass innerhalb des Spiels Punkte in Form einer virtuellen Währung gewonnen und weiterverwendet werden können. Wird aber in irgendeiner Form um geldwerte Vorteile gespielt, befindet man sich in der Kategorie des Geldspiels. Ob es sich um ein klassisches Glückspiel handelt oder das Spiel der Unterhaltung dient, ist kein massgebendes Kriterium mehr. Es wäre eine zweite Kategorie zur Abgrenzung von der Unterhaltungsspielindustrie zwingend angezeigt.

Die Zukunft der Unterhaltunsspielindustrie unter dem neuen Geldspielgesetz

Für die Unterhaltungsspielindustrie und die Spieler bedeutet das neue Geldspielgesetz ein Rückschlag. Letztlich wird es der Politik und den Vollzugsbehörden (ESBK und Comlot) überlassen sein, wie weit man den Anwendungsbereich des neuen Geldspielgesetzes legt und wie strikte man das Gesetz umsetzt. «Wo kein Richter, da kein Henker». Wird das Gesetz künftig im Rahmen des hier Beschriebenen Anwendung finden, müssten praktisch sämtliche Spielanbieter, seien dies Grossanbieter von Konsolenspielen oder Kleinanbieter von App-Store Spielen, die nötigen Konzessionen und Spielbewilligungen einholen. Die Voraussetzungen dazu sind streng, d.h. man muss insbesondere eine juristische Person nach schweizerischem Recht sein und all seine finanziellen Beteiligungen an anderen Unternehmen offen legen. Der Schweizer Markt dürfte für die geforderten Anstrengungen zu wenig lukrativ sein, weshalb das Mekka der Spielindustrie auch künftig nicht in der Schweiz ihren Sitz finden wird.

Wäre das Ziel des neuen Geldspielgesetzes das Suchtpotenzial und die schädlichen Auswirkungen von Spielen aller Art generell zu bekämpfen, müssten die neuen Regelungen begrüsst werden. Dies liegt aber nicht mehr im Sinn und Zweck des Art. 106 BV. Das neue Geldspielgesetz geht zu weit und erfasst die Unterhaltungsspielindustrie in einem unerträglichen Masse. Wird das neue Gesetz in seinem vollen schöpferischen Potential zur Anwendung kommen, muss ein Grossteil der Unterhaltungsindustrie im schweizerischen Markt blockiert werden.

Wie mit den diskutierten Unklarheiten in der Unterhaltungsspielindustrie tatsächlich verfahren 47wird, bleibt abzuwarten. Sollte die hier vertretene Ansicht ihre Richtigkeit behalten, scheint der gesetzliche Auftrag der Vollzugsbehörden zur Bekämpfung illegalen Geldspiels angesichts der Masse an Spielen eine Herkulesaufgabe darzustellen, welcher sie auch mit den neuen Massnahmen des BGS nicht nachkommen kann. Beachtet man, dass heute noch Casinospiele als App frei im Apple Store downloadbar sind, dürfte es noch einige Zeit benötigen, bis die Vollzugsbehörden Zeit finden, sich mit der hier beschriebenen Problematik auseinanderzusetzen. Das Beispiel von Belgien zeigt hingegen, dass dies durchaus bereits Realität ist. Gewinner des neuen Gesetzes sind damit nur die Casinos, welche im Unterschied zu früher durch nunmehr gesetzlich verankerten Ausschluss jeglicher ausländischer Konkurrenz auch online die komplette Markthoheit auf dem Spielmarkt in der Schweiz haben. Verlierer ist die Unterhaltungsspielindustrie, welche sich durch das neue Gesetz in gefährliches Terrain begibt. Unklarheiten bleiben bestehen und führen dazu, dass ein mehrheitlich der Unterhaltung dienendes Spiel schlimmstenfalls als Geldspiel qualifiziert und im Schweizer Markt gesperrt wird, während sich der Anbieter des Spiels sogar wegen eines Verbrechens - meist wohl eines gewerbsmässig begangenen Verbrechens gemäss Art. 130 Abs. 2 BGS – oder einer Übertretung schuldig machen kann und damit bis zu maximal fünf Jahren Freiheitsstrafe riskiert. Gemäss Botschaft wurde mit Übertretungstatbestand in Art. 131 Abs. 1 lit a BGS sogar ein Auffangtatbestand geschaffen, der sicherstellt, dass «die Durchführung von Geldspielen ohne Bewilligung strafbar ist, selbst wenn das betreffende Spiel in keine gesetzlich definierte Spielkategorie fällt» (vgl. Botschaft zum BGS, S. 8416).

So bleibt letztlich, was schon immer bekannt war: Das Casino gewinnt immer.

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Räumt den App-Store!, M, ContraLegem 2021/2, S. 41-47
Camill Droll
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Kommentare: 1
  • #1

    Tom (Samstag, 28 August 2021 20:50)

    Das neue Gesetz wird ohnehin nicht durchgesetzt. Ich muss jedes Mal lachen, wenn ich die (zahlreichen, auf allen Kanälen platzierten) Online-Werbungen von Casinos erhalte. Von fehlender Aufdringlichkeit wie vom Gesetz gefordert, kann da keine Rede sein (Art. 74 Abs. 1 BGS: "Veranstalterinnen von Geldspielen dürfen nicht in aufdringlicher oder irreführen­der Weise Werbung betreiben."). Nebenbei wird jedes Mal der grosse Jackpot versprochen. Gar nicht irreführend. Aber die Spielbankenkommission scheints nicht zu kümmern.

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