Literaturhinweis

Stefanie BernetLiteraturhinweisSContraLegem202127575

Literaturhinweis: Murder Under the Microscope

75Wie werden Tötungen untersucht und welche Rolle spielt die forensische Wissenschaft bei der Ermittlung von Verbrechen? Jim Fraser ist ein forensischer Wissenschaftler, der als Sachverständiger und Gutachter für ungeklärte Fälle an hunderten von Morduntersuchungen beteiligt war. Er hat viele Male vor Gericht ausgesagt. In seinem Murder under the Microscope lässt er uns teilhaben an seinen Erinnerungen an ausgewählte Fälle, von den 80er Jahren bis heute. «Mit dabei» sind auch einige Fälle von «bekannten» Serienmördern, minderjährigen Opfern, Justizirrtümern, fragwürdigen Ermittlungen, polizeilichem Fehlverhalten und Fälle, die bis heute ungelöst oder strittig sind. Jeder Fall birgt seine eigenen Schwierigkeiten mit sich, kein Thema wird ausgelassen. Der Fokus liegt weniger auf den Verbrechen selbst, als auf all dem, was nach der Tat passiert. Wer eine «dünne» Haut besitzt, erspart sich wohl am besten die akribischen, wissenschaftlichen Beschreibungen der Details der einzelnen Taten.

Das Buch ist zum einen eine Einladung in die wissenschaftliche Forensik und ihre Vorgehensweisen. Fraser zeigt unter anderem auf, was alles im Labor überhaupt entdeckt und nachgewiesen werden kann und was nicht, und wie bspw. DNA-, Faser- und Blutflecken-Analysen vorgenommen werden, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Relevanz ihnen im Verfahren zukommt. Lehrreich und überraschend sind dabei die Vorgehensweise und Realität der Forensik.

Darüber hinaus beschreibt und analysiert das Buch aber auch das System der Strafverfolgung im Vereinigten Königreich überhaupt, mit allen beteiligten «Lebenswelten», wie etwa Arbeitskollegen, Polizisten, Anwälten, Gerichten und Medien. Die Lebenswelt der Polizei erfährt dabei besonders viel Kritik, weil bei mehreren der beschriebenen Fälle gravierende, aber vermeidbare Fehler passiert sind, oder das Ego der Polizisten die Ermittlungen gefährdet und manchmal sogar den ganzen Fall torpediert hat. Je länger man liest, umso unwohler wird es einem. Ein funktionierendes Ermittlungssystem scheint ein Ding der Unmöglichkeit angesichts so vieler unterschiedlicher Zielsetzungen, die sich gegenseitig nicht verstehen und andere Werte priorisieren, was letztlich die Zusammenarbeit gefährdet.

Wer sich für die Justiz und die darin verfangenen Menschen interessiert, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

Stefanie Bernet

Jim Fraser, Murder Under the Microscope, A Personal History of Homicide, Atlantic Books, London 2020.

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Literaturhinweis: Murder Under the Microscope, S, ContraLegem 2021/2, S. 75-75
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