Essen

Gargantue & PantagruelEssenLContraLegem202212427

Essen

Gargantua & Pantagruel

Ein Dialog

24P:   Donnerstag war ich an einem Anlass, der sich mit dem Essen der Zukunft befasst hat.

G: Ach ja?

P: Ja.

G: Und?

P:   Podiumsgäste waren der CEO einer grossen Schweizer Unternehmung, die ihr Geld mit Lebensmitteln verdient, eine grüne Politikerin …

G: Keine rote?

P:  Korrektur: Eine Politikerin der Grünen Partei.

G:

P:   … die Geschäftsführerin einer der grössten Mensa-Betreiber-Gesellschaften der Schweiz, und ein bekannter Gastronom.

G: Wie schön, wenigstens der Gastronom ist bekannt, wenn schon niemand die anderen Teilnehmer kennt.

P: Er ist auch der einzige, der selber kocht.

G: Wo fand es denn statt?

P:  Im Kaufleuten. Das Schnitzel dort ist sehr gut.

G:  Und? Wie sieht es aus, das Essen der Zukunft?

P:  So genau weiss das keiner, aber anders als heute.

G: Das ist wenig überraschend, denn dazu muss man es ja nur stehen lassen.

P:  Die Grüne will es fleischlos, die Mensa-Betreiberin kann damit leben, solange dafür bezahlt wird (Stichwort: Luzern), der Gastronom will es regionaler und der CEO profitabler.

G:  Luzern?

P:  Die Mensa der Universität Luzern hat vor kurzem entschieden – nota bene auf Antrag der Studierenden –

G:  also auf Antrag der Vertretenden der Studierenden?

P:   Vertreter…

G: Nein, Vertretenden. Wir wollen korrekt sein.

P:   also, auf Antrag der Vertretenden der Studierenden – in den Räumlichkeitenden der Mensa nur noch fleischlose Menus anzubieten.

G: Wie bitte? Warum denn das?

P:  Ich glaube, um die Welt zu retten.

G: (lacht) Die Mensa der Universität Luzern rettet die Welt?

P:  Genau. Unter anderem.

G: Und warum kochen sie nicht einfach Essen?

P:  Na ja, sie versuchen halt, die Welt kochend zu retten.

G:  Also, die Welt durch ihr Kochen zu retten, nicht wahr?

P:  Ja klar. Stell Dir auf Delacroix’ Gemälde Marianne vor, mit Jakobinermütze, me-too-gerecht mit Rollkragenpullover und 25statt der Tricolore einen Kochlöffel in der Hand.

G:  Wie wunderbar.

P:  Nicht wahr.

G:  Und wer trotzdem Fleisch essen möchte?

P:  Das ist wie mit der Rettung der Welt: Nicht jeder muss mitmachen. Es gibt ausserhalb der Mensa, neben dem Uni-Gelände, Food-Trucks…

G:  die Fleisch anbieten?

P:  Ja, gekochtes Fleisch.

G:  Sogar. Welch ein Luxus! Fürs andere musst Du nach Zürich an die Langstrasse. … Das also ist die Mensa-Anbieterin, die teilgenommen hat.

P:  Genau.

G:  Und die sagt?

P:  Sie sagt: Wir retten auch die Welt, wenn dafür die Nachfrage besteht.

G:  Wie schön. Reicht das der Grünen aus?

P:  Nein.

G:  Natürlich nicht. Wie überraschend.

P:  Sie will generell alles Fleisch verbieten, hat aber nicht spezifiziert, ob menschliches auch darunter fällt; der Rettung unseres Planeten würde das natürlich dienen.

G: Das erinnert mich an Jonathan Swift und seinen «Modest proposal…», der ja zur Behebung der Hungersnot in Irland auch vorschlägt, dass die Armen ihre ohnehin überflüssigen Kinder aufessen sollten.

P:  Der Unterschied: Bei Swift würden sie aufgefressen, in casu nur vernichtet.

G:  In Küchen und in Lagern?

P:  Bei Swift in Küchen, bei der Grünen in Lagern.

G:  Das ist aber sehr nachhaltig. Es war mir ja bekannt, dass Kinder das primäre Hindernis einer nachhaltigen Entwicklung sind. Eigentlich stören ja nicht nur sie, sondern auch ihre Eltern.

P:  Genau.

G:  Und der CEO?

P:  Der denkt löblicherweise langfristig und will weder Kinder noch Eltern dezimieren, denn die bilden ja seine Klientel, aber er möchte dass sie sich fleischlos ernähren und dafür gleich viel bezahlen. Das rettet die Welt und maximiert seinen Profit.

G: Und schliesslich der Gastronom, was meint denn der?

P:  Der hat die Gunst der Stunde erkannt. Er freut sich über das Verschwinden von Fleisch, weil er es dann als rares Gut noch teurer und exklusiver anbieten kann.

G:  Ein Welt-Rettungs-Schmarotzer?

P:  Genau. Einig waren sich alle vier, dass der Beitrag der Schweiz nur symbolischer Natur sein kann. Aber auch für Symbole zu leiden, lohnt es sich.

G: Nur für Symbole lohnt es sich zu leiden!

P:  Symbolisch zu leiden, nicht wirklich… Es sei denn, man ist der Symbolträger.

G:  Da will ich nicht widersprechen.

P:  Eine schöne Armbinde hast Du an. Ist die neu?

G:  Ja, passt zum braunen Anzug und zu meinen wunderbaren Stiefeln.

P:  …

G:  Gab es bei dem Anlass was zu Essen?

P:  Nur für die vier.

G:  Und natürlich kein Fleisch?

26P:  Kein natürliches. Nur Fleischersatz, Symbolik halt.

G:  Fleischersatz?

P:  Ja, nach Fleisch aussehendes und schmeckendes Gemüse.

G:  Und warum nicht Gemüse, das aussieht und schmeckt wie Gemüse?

P:  Na ja, aus zwei Gründen: Erstens darf man’s mit der Weltrettung nicht übertreiben, und zweitens rettet das Auge ja mit.

G:  Das Auge rettet die Welt?

P:   Ja. Denk nur an die Illuminaten.

G: (lacht)

P:  Uli Hoeness, als Wurstfabrikant ein freier Mann, hat angemerkt, dass in eine fleischfreie Wurst Dinge reindürfen, die in eine fleischenthaltende Wurst niemals reindürften.

G:  Aha, wie bei den Gender-Toiletten, da darf auch alles rein.

P:  Und alles raus.

G: Du Schwein!

P: Ja, aber fleischlos. Schmeckt Dir übrigens Dein Chateaubriand?

G:  Danke, das Filet Rossini gestern war besser. Aber wir haben ja morgen noch das Beef Wellington.

P:  Und das Beste: ein Boeuf Stroganoff.

G:  Ja, darauf freue ich mich ganz besonders. Aber sag mal, was wenn die Menschen dabei nicht mitmachen wollen?

P:  Seit wann werden denn die Menschen bei der Weltrettung gefragt? Dann funktioniert’s ja nie. Sei nicht so subversiv.

G:  Ich bin nicht subversiv, vielleicht nur etwas veraltet aufgeklärt.

P:  Deswegen kennst Du auch nur zwei Geschlechter.

G:  Ja, das stimmt, aber das ist eine andere Geschichte, auch wenn auch darin vereinzelt Wiener Würstchen vorkommen.

P:  Ja, die berühmten Fleischpeitschen. Auch ein Mittel zur Weltrettung.

G:  So ein Rüpel. Aber jetzt mal ernsthaft unter uns Pastorentöchtern: Was, wenn jemand trotzdem und wahrhaftig Fleisch essen möchte? Gibt es da Vorstellungen?

P:  Abgesehen vom public shaming, der Rettung der Welt im Wege zu stehen, meinst Du?

G:  Ja natürlich.

P:  Das wird’s nach allgemeiner Façon nur möglich sein, wenn derjenige dafür viel Geld zahlt.

G:  Also eigentlich seine eigenen Tiere isst?

P:   Ja.

G:  Aber das können sich doch die Wenigsten leisten.

P:   Nun ja, es fährt ja auch nicht jeder Porsche.

G: Also zurück ins Mittelalter vor den guten König Heinrich IV.

P:   Was?

G: Henri IV von Frankreich hat damals zum Ziel seiner Herrschaft erklärt, dass jede französische Familie ein Mal pro Woche ein Huhn auf dem Tisch haben sollte.

P:  Genau. Kein Wunder hat dieser Henri die Welt nicht gerettet. So ein Sozialromantiker. Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne.

G: Schwäne?

P:   Nein, die isst man nicht mehr. Die schmecken nicht.

G:  Hähne?

P:  Die auch nicht.

27G:  Und wenn das alles zur Rettung der Welt nicht ausreicht? Was dann?

P:  Dann finden wir etwas anderes, um unseren ökologischen Fussabdruck weiterhin zu reduzieren.

G: Da freue ich mich aber drauf. Gottseidank bin ich dann schon tot. Das reduziert meinen ökologischen Fussabdruck ziemlich radikal.

P:  Das wäre natürlich für die Umwelt das Beste, wenn wir anderen es Dir gleichtäten.

FINIS

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Gargantua & Pantagruel
Essen, ContraLegem 2022/1, 24-27
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